Ich atme tief ein und fahre mit meinen Händen den schwarzen Stoff entlang. Das feine Knistern des wallenden Stoffs löst in mir ein vertrautes Gefühl der Leidenschaft und Hingabe aus. Mein Tangokleid, wie ich es liebevoll nenne, hatte lange genug ungenutzt im dunkeln Schrank gehangen. Es gab keinen besonderen Grund, es ausgerechnet heute Abend anzuziehen.
In meinem Gaumen spüre ich die Verführung von Schokolade und Rosinen…“Im Gaumen komplex und verführerisch wie Brigitte Bardot und charakterstark wie Winston Churchill.“ Chandra hätte den Primitivo nicht treffender beschreiben können. Den nächsten Schluck Wein behalte ich länger im Mund und blicke hinaus auf meine Stadt. Es ist menschenleer. Schuld daran sind 22 Männer und ein Ball oder der bedrohliche schwarze Vorhang, der sich vom Jura her unaufhaltsam nähert.
Die sanften Klänge von Bohren & The Club Of Gore mit ihrem „Maximum Black“ passen perfekt zur Szenerie. Ich spüre einen Windhauch an meinem Ohr, der Wind flüstert leise „tanz mit mir“. Ich spüre deine Lippen an meinem Hals, deine Hände ziehen mich sanft vom Fenster weg. Du ziehst mich in die Mitte des Saals. Ich geniesse mit angespanntem Körper den Umweg deiner rechten Hand, sanft der Taille entlang und dann langsam rückenwärts gleitend bis du mich sanft aber bestimmt an dich drückst. Ohne meine andere Hand zu fassen, bewegst du uns beide im Takt der Musik. Ich schliesse die Augen und geniesse deine Berührungen. Ich spüre deine Fingerspitzen, wie sie meinen Schultern entlangfahren und auf ihrem Weg Millionen von explodierten sensiblen Nervenendigungen hinterlassen, wie auf einem Schlachtfeld der Erregung und Lust. Ich atme tiefer ein. Wieder spüre ich den saften Windhauch deines Atems auf meinem Gesicht. Während du mit der rechten Hand unsere Körper millimetergenau in Tanzposition hälst, erschwert mir die Exploration der anderen an meinem Körper entlang das kontrollierte Atmen. Kleinste Muskelvibrationen der Hautfelder, die du bereits entdeckt hast, Gänsehaut dort, wo du noch erwartet wirst. Sanfte Lippen, die mein Gesicht liebkosen und die meinigen ungeküsst passieren. Zwei Körper im Takt der Musik, völlig verschmolzen. Die elektrisierende Spannung scheint sich erlösend zu entladen.
Ich spüre Schweissperlen, die meine nackten Arme hinunter perlen. Mein Kleid klebt an meinem nassen Körper. Mir fröstelt; ich öffne die Augen. Ich stehe immer noch am offenen Fenster. Es hat zu regnen begonnen. Der sich zu einem Sturm formende Wind peitscht mir das Wasser ins Gesicht. Ich bin bis auf die Haut durchnässt. Das Weinglas in meiner Hand ist leer und ich bin alleine im Raum. „Komplexität in jedem Schluck. Ein voller Wein, der Geschichten zu erzählen mag.“ Wie wahr!
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