Sofort werden bei mir Bilder wach von brennenden Tieren im Jahr 2001...
Eine Rückschau auf die Ereignisse im Jahr 2001
Am 19. Februar 2001 bemerkte ein Tierarzt in Essex, in der Nähe von London, dass sich vor 3 Tagen angelieferte Schweine auffällig passiv verhielten. Als er sie genauer betrachtete, hatten sie Läsionen an der Rüsselscheibe und im Zwischenklauenspalt. Aufgrund der Serologie (Blutuntersuchung auf Virus oder Antikörper) wurde sein Verdacht "Maul- und Klauenseuche" bestätigt.
Wieso ist das MKS-Virus gefährlich?
Das MKS-Virus ist hoch infektiös. Nur schon 10 Erreger reichen, um eine Kuh zu infizieren. Wie gross die Gefahr einer Ansteckung ist, verdeutlicht die Tatsache, dass ein infiziertes Schwein innerhalb einer Stunde an die 10 Millionen Erreger ausscheiden kann. Zudem ist das Virus lange überlebensfähig in der Umwelt: im Stallmist, in Transportern, an Stiefeln, in tierischen Lebensmitteln (Fleisch, Milch!, Käse, etc.). Als Aerosole kann es zudem kilometerweit mit dem Wind verbreitet werden.
Infizierte Tiere werden rasch krank (einige Tage) und zeigen einen Leistungsabfall, Apathie, Schwäche, Lahmheit, Milchrückgang bis Totgeburten. Ausserdem Aphten (Blasen) an Klauen, Zunge, Maulschleimhaut, Rüsselscheibe und Euter. Die Tiere sterben nicht an dieser Krankheit, sie ist aber extrem schmerzhaft. Der Mensch kann sich nicht anstecken. Auch Pferde und andere Haustiere nicht. Jedoch sind alle Paarzeher betroffen (Rind, Schwein, Schaf, Ziege, Rotwild, Büffel, etc.). Die Maul- und Klauenseuche ist die bedeutenste wirtschaftliche Seuche!
Warum diese rasche Ausbreitung?
Der Tierarzt in Essex musste sofort Meldung machen. Die Presse berichtete am 20. Februar erstmals über den Ausbruch. Es war wichtig herauszufinden, woher die Schweine kamen und mit welchen anderen, für die Krankheit empfänglichen Tiere sie möglicherweise Kontakt hatten. Die Tiere waren aber schon einige Tage krank und setzten inzwischen Milliarden von Erregern frei. Und tatsächlich waren an ihrem Herkunftsort, 800 km nördlich von London, bereits weitere Tiere erkrankt: Schweine, Rinder und Schafe.
In England leben 35 Millionen Schafe und im Februar ist Hauptmarktzeit. Die Schafzüchter gehen oft auf 4 bis 5 Märkte täglich, bis sie die Tiere zum besten Preis verkaufen können. Somit sind in England im Februar ungefähr 100'000 Schafe täglich unterwegs. Darunter auch Schafe aus der Nachbarschaft der erkrankten Schweine. Besonders tückisch ist die Tatsache, dass Schafe oft gar keine Symptome zeigen der Krankheit, aber das Virus weiter verbreiten können.
Wie konnte man die Seuche stoppen?
So kam es, dass in weiten Teilen Englands verseuchte Betriebe gemeldet wurden. Im März 2001 kamen täglich 50 neue dazu. Diese Höfe unterlagen einer Sperrmassnahme. Es durften weder Tiere, noch Personen oder Waren den Hof verlassen. Es gab eine 3 km Schutzzone um den Betrieb, in der kein Tierverkehr erlaubt war. Ebenso in der 10 km Überwachungszone, wo nur mit Spezialbewilligung und nur nachweislich gesunde Tiere in die normale Schlachtung verbracht werden durften. Die Klauentiere des verseuchten Hofes, wie auch diejenigen aller benachbarten Betriebe und weiterer Kontaktbetriebe wurden getötet und verbrannt.
Die Massnahmen zeigten ab Juni 2001 Erfolg. Jedoch wurden immer wieder Ausbrüche gemeldet. Dies vor allem, weil sich Schafzüchter nicht an die Sperrmassnahmen hielten und weiterhin illegal handelten.
Eine wirtschaftliche Katastrophe:
Als Ende September 2001 der letzte Fall auftauchte, hatte der Erreger Nutztiere auf mehr als 2'000 Höfen befallen. Weitere 8'000 waren entweder benachbart oder hatten Kontakt zu den verseuchten Tieren. Es wurden 7.5 Millionen Tiere getötet und verbrannt. Weil die Kapazität der Verbrennungsanlagen nicht ausreichte, mussten sie improvisieren. Die brennenden Tierkadaver auf dem Scheiterhaufen sind uns allen noch im Gedächtnis.
7'800 Bauern verloren ihre Existenz. Die wirtschaftlichen Verluste betrugen 7.1 Mia SFr. in der Landwirtschaft und weitere 7.2 Mia SFr. durch ausbleibenden Tourismus.
Wie reagierte das europäische Festland?
Die EU und die Schweiz verhängten eine sofortige Importsperre über Tierimporte aus England. Ausserdem durften keinerlei Tierprodukte importiert oder eingeführt werden. Tierverkehr im Inland und Viehmärkte wurden teilweise verboten
Trotzdem kam es zu 2 Ausbrüchen in Frankreich und 26 in Holland. Man fand heraus, dass kranke Schafe aus England via eines irischen Handelsstalles nach Frankreich importiert wurden. Frankreich tötete daraufhin 60'000 mögliche Kontakttiere. Nach Holland kam der Erreger mit Kälbern aus Irland, die im selben Handelsstall standen, wie die Schafe aus England. Auch weitere Länder töteten vorsorglich mögliche Kontakttiere. Wegen fehlender Kapazitäten wurde oft Notgeimpft, um die Virusverbreitung einzudämmen und die Tiere später getötet und entsorgt.
Warum impft man nicht?
Bis in die 70er Jahre war der Erreger der Maul- und Klauenseuche endemisch in Europa. Mit einem grossangelegten Impfporgramm konnte der Erreger in Westeuropa weitgehend eliminiert werden. Der letzte MKS-Fall in der Schweiz war 1980. Seit den 90er Jahren wird darum nicht mehr geimpft.
Das MKS-Virus hat verschiedene Serotypen (7) und diverse Subtypen (65), die je nach Region unterschiedlich sind. Der Erreger des Ausbruchs 2001 stammte aus Asien. Unsere Tiere hätten sich auch geimpft angesteckt, weil unsere Impfung in der 80er Jahren einen Cocktail aus den 3 europäischen Serotypen enthielt. Da wir nicht gegen alle diese Serotypen und Untertypen impfen können die weltweit vorkommen, beschränkt sich Westeuropa auf die Kontrolle der Importe lebender Tiere und deren Produkte aus gefährdeten Gebieten und der geziehlten Impfprogramme in der Türkei, die als europäische Pufferzone zum "MKS-Gürtel" gilt, der vom asiatischen Teil der Türkei, Indochina, weite Teile Afrikas bis Südamerika geht.
Mit der Globaliserung und damit verbundenen weltweiten Handel mit Tieren, Tierprodukten und dem Individualverkehr, kann man die Verbreitung des MKS-Virus nur prophylaktisch eindämmen. Jede Person, die illegal rohes Fleisch, ungenügend erhitztes Fleisch und andere, nicht fachgerecht verarbeitete Tierprodukte aus den Ferien oder dem Heimatland mitbringt, kann das Virus verschleppen. Und damit auch viele weitere Krankheitserreger, wie zum Beispiel der der Schweinepest oder die potentiell für Menschen gefährliche Vogelgrippeviren.
Korrekt verarbeitete Produkte wären keine Gefahr, nicht zuletzt deshalb ist die Massenvernichtung der (gesunden) Verdachtstiere sowohl wirtschaftlich wie auch ethisch eine einzige riesige Verschwendung von Ressourcen, Genmaterial und natürlich Tierleben.
Wie kam das MKS-Virus nach England?
Nach England kam das Virus mit (illegalem?) Rohfleisch-Import aus Asien in ein lokales Restaurant. Das Fleisch wurde in diesem Restaurant dann nicht vorschriftsmässig erhitzt und in den verfütterten Fleischabfällen war genug Virusmaterial, um die Schweine, die später in Essex als erste gemeldet wurden, anzustecken.
Wird 2007 ein neues Seuchenjahr?
Ob sich die Seuche wieder so schnell ausbreitet, hängt davon ab, wie rasch der jetzige Ausbruch erkannt wurde, ob die Kontakttiere schnell ausgemacht werden können und ob die Virusquelle lokalisiert werden kann. Natürlich müssen die Sperrmassnahmen eingehalten werden. Da das Seuchenbewusstsein sowohl bei Tierärzten wie auch Bauern seit 2001 viel höher ist, lässt uns hoffen, dass es bei diesem einzigen Seuchenausbruch bleiben wird.
Ich werde Euch auf alle Fälle auf dem Laufenden halten.
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